Institut für transkulturelle Betreuung (Betreuungsverein) e. V. - Kompetenzzentrum für rechtliche Betreuungen, Vormundschaften, Jugendhilfe und Migration - (Stand: 03/2024)
Jeder Mensch kann durch einen Unfall, durch Krankheiten oder Schicksalsschläge physisch oder psychisch kurz- oder langfristig nicht mehr in der Lage sein, wichtige Angelegenheiten in seinem Leben ganz oder teilweise zu erledigen.
Tritt ein solcher Fall ein, braucht diese Person jemanden, der sie in ihren rechtlichen Ansprüchen gegenüber Behörden, Banken, Ärzten usw. vertritt. Im deutschen Rechtssystem kann das jemand sein, der vorher vom Betroffenen bevollmächtigt (Vorsorgevollmacht), oder jemand, der durch ein Gericht zum rechtlichen Betreuer (ehren- oder hauptamtlich) bestellt worden ist. Die rechtlichen Grundlagen zur rechtlichen Betreuung finden sich in 1814 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
Auch Migrant*innen können aufgrund ihrer Krankheiten und Behinderungen in die Situation kommen, ihre Angelegenheiten selbst nicht mehr regeln zu können, sodass eine rechtliche Betreuung für sie bestellt werden muss.
Aktuell sind in der Bundesrepublik Deutschland gem. § 1814 BGB für ca. 1,25 Mio. Menschen rechtliche Betreuungen eingerichtet. Wie viele davon einen Migrationshintergrund haben ist nicht erfasst. Wir gehen davon aus, dass es inzwischen ca. 70.000 bis etwa 100.000 sein dürfte. Im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil von ca. 25 % sind sie im Betreuungsrecht in allen Bereichen unterrepräsentiert.
Sie werden vorrangig von ihren Familienangehörigen, Nachbarn oder Bekannten im Rahmen der Ehrenamtlichkeit rechtlich betreut.
Selten erhalten sie aufgrund von Zugangsschwierigkeiten und fehlenden Sprachkenntnissen von Fremden außerhalb des eigenen sozialen Netzwerkes Unterstützung.
Professionelle muttersprachliche und kultursensible rechtliche Betreuungsangebote sind nicht ausreichend vorhanden. Deshalb haben wir in Hannover für das Gebiet Niedersachsen einen spezifischen Betreuungsverein gegründet, der sich auf die Betreuung von Migrantinnen und Migranten spezialisiert hat, um deren Versorgungssituation und die Betreuungsqualität für diese Zielgruppe zu verbessern. Hierbei arbeiten wir eng mit anderen Betreuungsvereinen und weiteren Institutionen eng zusammen.
Die Arbeit des ItB basiert auf einem Konzept, das an den Bedürfnissen, Erfahrungen und Lebenslagen von Migrant*innen ausgerichtet ist. Denn bei der rechtlichen Betreuung von Migrant*innen ist es meist sehr hilfreich, wenn die Betreuer*innen deren Muttersprache sprechen. Darüber hinaus spielt es eine wichtige Rolle, dass die Betreuer*innen nicht nur den individuellen und sozialen, sondern auch den kulturellen und religiösen Hintergrund der Betroffenen kennen, um ihn in der Betreuungsarbeit zu berücksichtigen. Je wenige die Menschen sich erklären müssen, umso besser wird das Vertrauensverhältnis und somit die Zusammenarbeit.
In vielen Fällen ermöglichen diese Kenntnisse den persönlichen Zugang zu den Betreuten, so dass die BetreuerInnen sich an deren Wünschen und dem Willen orientieren und damit die Selbstbestimmung der Betreuten fördern können.
Dieses migrationssensible Konzept der rechtlichen Betreuung hat sich seit der Gründung des ItB 1995 vielfach bewährt und wird im steigenden Maße nachgefragt: Inzwischen betreut das ItB mit Hilfe von mehr als 15 Vereinsbetreuer*innen, die über 13 verschiedene Sprachen sprechen, ca. 500 Menschen aus 47 Herkunftsländern.
Im Jahre 2010 wurde das ItB zudem als Vormundschaftsverein anerkannt und führt inzwischen mehr als 20 Vormund- & Pflegschaften von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. Auch wird in Zusammenarbeit mit der Stadt Hannover ein Projekt „Begleiteter Umgang“ und Gewinnung von ehrenamtlichen Vormünder*innen umgesetzt. In diesem Kontext hat sich das ItB auch zum einem Jugendhilfeträger entwickelt.
Im Rahmen der rechtlichen Betreuung von Migrant*innen sind unsere Vereinsbetreuer*innen häufig neben Regelaufgaben besonders mit migrationsspezifischen Aufgaben konfrontiert.
Solche können zum Beispiel die Regelung von aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten oder Rechtsangelegenheiten im Herkunftsland sein. Zu den weiteren Handlungsbereichen gehören u. a. die Beantragung und Sicherung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder die Abwicklung der Rückkehr in das Herkunftsland wie auch die Koordinierung zur Sicherstellung einer adäquaten Verständigung (z. B. durch Dolmetscher). Hierbei sei der Hinweis gegeben, dass unsere Vereinsbetreuer*innen selbst keine Dolmetscher Tätigkeiten ausüben dürfen.
Darüber hinaus müssen die migrations- und kultursensiblen rechtlichen Betreuer*innen des ItB im Sinne ihrer Betreuten deren Recht einfordern, dass Einrichtungen und Dienste ihre Leistungen migrations- und kultursensibel erbringen. Auch machen inzwischen Betreuungen mit Auslandsbezug einen Anteil der Fälle aus. Viele weitere Aufgaben wie die Abwicklung der Wehrpflicht im Ausland oder Pass- und Ausweisangelegenheiten bestimmen die tagtägliche Berufspraxis der ItB-Mitarbeiter*innen.
Trotz dieser anspruchsvollen Tätigkeiten engagiert sich das ItB des Weiteren im Kontext der sog. Querschnittstätigkeit in den zusätzlichen Feldern:
- Gewinnung und Begleitung von ehrenamtlichen Betreuer*innen
- Beratung in Betreuungsangelegenheiten und -führung, zu Vollmachten und Vorsorgemaßnahmen
- Durchführung von Angeboten zur Aus-, Fort- und Weiterbildung
- Öffentlichkeitsarbeit durch Fachtagungen, Aufklärungsveranstaltungen und Publikationen
- Qualitätsförderung und Vernetzung in der Betreuungsarbeit durch Forschung, kollegiale Beratung, Supervision und Projektarbeit
- Vermittlung von kultur- und sprachkundigen Verfahrenspflegern, Gutachtern und Dolmetschern (an Kooperationspartner*innen).
- Vernetzung und Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren des Betreuungsrechts und Migrationsarbeit